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Die Lotsin geht von Bord

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Die Bindung zwischen Friede Springer und ihrer Beraterin und Kanzlerin Angela Merkel war stark gewesen. Die Medienzarin vertraute ihrer Kanzlerin und befolgte meist auch ihre Ratschläge. Doch ihr Chefredakteur Kai Diekmann und Merkel konnten sich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr leiden und lieferten sich ab der Griechenland-Krise eine Machtprobe. Der junge Kai wollte seine eigenen Entscheidungen treffen.

Die Lotsin geht von BordKai und Angela waren nicht oft verschiedener Meinung
Der junge 51-jährige Chefredakteur wollte allein regieren und sich in seinen Entscheidungen keinesfalls von der Kanzlerin hineinreden lassen. Immer wieder gab es Themen, bei denen die beiden verschiedener Meinung waren. Vor allem am vom Merkel geplanten dritten Hilfspaket entzündete sich der Streit. Diekmann wollte noch härter gegen die linken Länder in Europa vorgehen. Doch Merkel stimmte ihm in diesem Punkt nicht zu.

Merkel gab auf
So kam es am Ende zu einem endgültigen Bruch zwischen den beiden. Merkel zog sich nach ständiger Kampagne gegen ihre Politik aus dieser vollständig zurück und gab ihr Amt auf. Bekannt wurde diese Entscheidung 2016 durch ein beschreibendes Titel-Bild mit dem Titel „Die Lotsin geht von Bord„, das im eigenen Hausblatt von Diekmann erschien. Lange Jahre hatte Merkel die politische Geschichte des Deutschen Europas als Lotsin mit zu verantworten gehabt. Jetzt verließ sie endgültig das mediale Narrenschiff unter Führung des Konzerns Axel SpringerSE/P7S1 Media.

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Wenn Geschichtsmetaphern wie die heutige BILD-Titelstory „Heute brauchen wir die Eiserne Lady“ so daneben liegen, sollte man vielleicht wenigstens auf die Pressegesetze unter Bismarck, seine Sozialistengesetze und der geschichtlichen Einordnung zwischen Kanzler und Kaiser eingehen und sich dann überlegen ob man ein solches Bild wirklich kontextlos verwenden will. Kann man aber nicht erwarten. Stattdessen wird die Pickelhaube unreflektiert für die eigene Kampagne missbraucht. Ist ja nicht so, als ob die Grexit-Kampagne der BILD bereits genug Kritik erfahren hätte..

Update 21:25 Uhr:

Ein netter Fund im Archv der Bild. Wenn der britische Boulevard Pickelhauben benutzt ist es Gift und Galle (Link zu BILD.de), wenn es die BILD macht Journalismus.

Screenshot: Startseite BILD.de – 07.07.2015

Mehr Rassismus in der Lokalpresse..

Entsteht bald mehr Rassismus durch die Lokalpresse?
Foto der gedruckten Dewezet vom 2. September 2014
Foto der gedruckten Dewezet vom 2. September 2014

Meine Kritik über folgenden Artikel der Deister- und Weser Zeitung vom 02.09.2014 benötigt eine kleine Einleitung, die ich auch so von der Zeitung erhofft hätte.

In der niedersächsischen Stadt Hameln ist der Abzug der „British Forces Germany“ seit Juli 2014 größtenteils vollzogen.

Die Stadt hat sich trotz des sehr früh bekannten Datums und den absehbaren Folgen für die Kernstadt und den Immobilienmarkt, sowie den Einzelhandel nicht großartig darum bemüht, den daraus absehbaren Leerstand zu kompensieren. Teilweise problematisch ist hierfür auch, dass die Gebäude der Bundesrepublik Deutschland übergeben wurden und somit nicht der Stadt zur Verfügung stehen, um bei Anfragen der regionalen Bürger diese zu vermieten oder zu verkaufen. Auch Projektideen wie die Ausweitung der lokalen Hochschule oder der günstigen Studierenden-Alternative – dank der nun vorhandenen Großraum-Anbindung zu Hannover – wurden abserviert.

Die DEWEZET wartete nun heute mit einer neuen Idee auf, die Wohnungen eventuell zukünftigen Asylbewerbern zur Verfügung zu stellen, was angesichts der Stadtgeschichte gut passen würde und aus meiner Sicht begrüßenswert ist.

Hameln hat seinen Aufschwung zu einer ansehnlichen Kleinstadt in den 1960er und 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre hinein eigentlich den Folgen der Nachkriegszeit zu verdanken. 1947 waren in Hameln noch 120 Häuser und 1014 Zimmer von der britischen Besatzungsmacht belegt. 846 Soldaten, 500 Zivilangestellte und 1400 Familienangehörige machen sich auch wirtschaftlich bemerkbar. Da die Stadt von kriegerischer Zerstörung bis auf wenige Ausnahmen größtenteils verschont geblieben war, siedelten sich ab Ende der 1940er Jahre auch größere Betriebe, die ihren ehemaligen Standort verloren hatten, in Hameln an. Auch die Bevölkerungszahl wuchs aufgrund der Aufnahme von Flüchtlingen bis zum Jahr 1950 auf über 51.000 Personen an, wobei die meisten Heimatvertriebenen aus Schlesien stammten.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erlebte Hameln ab 1990 auch einen erhöhten Zuzug aus den neuen Bundesländern, da die wirtschaftliche Situation sich vor Ort besser darstellte, als in den versprochenen bald wieder „blühenden Landschaften“ der CDU.  Man kann also behaupten, dass Hameln eine Flüchtlingsstadt ist. Auch wenn der Anteil der Ausländer 2009 nur noch 8,6% betrug, von ehemals über 10% im Jahre 1997.

1995 lebten in Hameln noch 302 Asylbewerber, 1999 nur noch 215 Asylbewerber, 2014 sind es nur noch 147 Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind.

War Hameln also 1939 noch ein 29.000 Einwohner Städtchen, erreichte die Stadt dank des Flüchtlingszustroms ihren wirtschaftlichen und bevölkerungsreichsten Höhepunkt 1992 mit 59.294 Einwohnern.

Die Stadt Hameln ist eine Flüchtlingsstadt

Dieser kleine Zahlenausflug soll schlicht belegen, dass die Stadt Hameln schon seit Lebzeiten ihrer meisten aktuellen Einwohner eine Flüchtlings- und Migrationsstadt war und wirtschaftlich an diese gebunden ist.  Nun ist es sicherlich eine legitime Frage, wenn der Journalist Marc Fisser der Lokalzeitung DEWEZET sich fragt, ob der entstandene Leerstand nicht durch Zuzug einiger der aktuell 200.000 Menschen, die Asylanträge an die Bundesrepublik Deutschland gestellt haben, eventuell kompensiert werden könnte und es dadurch auch der Region wieder besser geht. Dies fragt er jedoch nicht.

Asylanten kommen oder könnten Kriegsflüchtlinge kommen?

Als gedruckte Lokalzeitung oder sowieso als Print-Journalist hat man nicht viel Platz in seinem Hauptprodukt und auch nicht immer die zeitlichen Kapazitäten, ausreichend ein solches sensibles Thema vorzubereiten und einzuleiten. Letztlich widmet die Deister- und Weserzeitung dieser Frage jedoch fast eine ganze Seite, was erstmal erfreulich scheint, diese sah dann heute wie folgt aus:

 

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Seiten-Ansicht des Dewezet-Artikels (Grafik)

 

Der Text leitet in der Überschrift mit einer rhetorischen Frage ein, was sich dem Leser nicht erschließt, selbst nicht unbedingt nach der kompletten Lektüre des Artikels.

Um die Idee emotional sinnvoll aufzubereiten wird dort von „unzähligen Menschen“ geredet (was ein Fakt ist), die aktuell aus dem Irak und Syrien flüchten und das „Die Bilder zum Leid der Flüchtlinge (…) auch die Bewohner des Weserberglandes erschüttern.“ Ungenannter „mancher Bürger“ fragt sich ob der Leerstand der ehemaligen Wohnungen der Briten nicht eventuell dafür genutzt werden könnte, das Leid der Flüchtlinge zu minimieren.

Um dem Artikel und der rhetorischen Frage Legitimität zu verschaffen, wird auch mit dem Hamelner „Fachbereich Recht und Sicherheit“ gesprochen.  Auch der Rathaussprecher Andreas Seidel wird mit „Uns ist von zusätzlichen Zuweisungen nichts bekannt.“ zitiert.

Auch die geringfügige Zahlenentwicklung der Asylanten in den letzten vier Wochen wird nur kurz dargestellt:

Zurzeit leben 174 Asylbewerber in Hameln. vor vier Wochen waren es 156.

Diese Zahlenentwicklung liest sich viellecht hoch, doch ist sie halt im Vergleich zu jeglicher historisch belegbaren Zahl und der Anzahl der benötigten Hilfe gering. Diese achtzehn Menschen hat man nach dem zweiten Weltkrieg in seiner eigenen Stube schlafen lassen.

Um die  Fragestellung zur Nutzung des Leerstandes auszubauen, wird noch Innenminister Pistorius und Thomas de Maiziére aus einer älteren Presseerklärung zitiert, dass „die aktuellen Zugangszahlen nicht wenige Kommunen vor wirkliche Probleme“ stellen würde. Dieses Zitat zieht sich durch fast jeden aktuellen Zeitungsartikel zum Thema. Dass diese Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen wurde, davon erfährt der geneigte Leser kein Wort. Dass diese Situation in Hameln so wäre, dies ist auch nicht ersichtlich. Diese Information wäre wünschenswert.

Mit einer kleinen Info-Box rundet das Lokalblatt seinen Artikel ab. Diese stellt kurz und knapp die Stadt Hameln als das da, was sie seit gut einem Jahrhundert charakterisiert. Der Artikel hat also keinen Nachrichtenwert beinhaltet aber eine sehr vernünftige Idee, denn:

  • Die Frage ist rhetorisch
  • Im Rathaus weiß man von solch einer Idee nichts
  • Die Häuser können dafür von der Stadt nicht verwendet werden
  • Aktuell sind keine weiteren Zuweisung von Asylbewerbern erkennbar
  • Die Häuser stehen noch immer leer

Eigentlich kann sich Marc Fisser auch ganz zufrieden auf die Schulter klopfen, hat er doch eine Debatte angestoßen und eine vermeintlich sehr gute Idee in die lokale Welt gebracht. In der Kürze wurde die Situation der Stadt Hameln dargestellt, ein O-Ton organisiert und es in die aktuelle bundesweite Nachrichtenlandschaft der Asylbewerber aus Kriegsgebieten integriert. Toll! Weitermachen!

Bezahlschranken im Internet und Social Media

Wäre da nicht das Problem, dass anscheinend nicht jeder im Hause den rhetorischen, bereits sehr kurzen und sehr sensiblen Artikel liest.

Denn auf Facebook passierte folgendes:

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Screenshot: Facebook

 

Mit der Einleitung „Kommen bald mehr Kriegsflüchtlinge nach Hameln…“ kommen zwar nicht bald mehr Kriegsflüchtlinge nach Hameln aber definitiv kommt bald mehr sichtbarer Rassismus nach Hameln.

Es wird durch die hinzugefügte Einleitung noch schwieriger erkennbar, dass es schlicht eine hauseigene Idee ist. Man verlinkt leider auch nur auf den kurzen Anreißertext, der komplette Artikel verbirgt sich hinter einer Bezahlschranke.

Hier der nächste Fehler:

Die aus dem Artikel übernommene Bildunterschrift endet mit einem Punkt. Aus der im Print gedruckten Unterschrift:

Wären sie als Quartiere für Kriegsflüchtlinge aus dem Irak oder aus Syrien geeignet?

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Wären sie als Quartiere für Kriegsflüchtlinge aus dem Irak oder aus Syrien geeignet.

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Screenshot: Dewezet.de vom 01.09.2014

 

Keine Info-Box ist zu sehen, keine ausführliche Darstellung, dass Hameln schon seit der Nachkriegszeit immer von Flüchtlingen profitiert hat. Schlicht die Nichtnachricht wird nochmal zugespitzt und wie ein Heftig.co-Artikel für die Social-Media-Meute aufbereitet.

Die Folgen sieht man in den Kommentaren auf Facebook:

  • Na klar öffne deine arme hameln (4 Likes)
  • Immer rein damit… kotz! (1 Like)
  • Hammer hart -.-
  • Das hat ja noch gefehlt -.-„
  • Dann können Sie auch gleich eine neue polizeistation dahin bauen (5 Likes)
  • Wenn das so weiter geht können wir Balt mit Pistole  in die Stadt gehen (6 Likes)
  • toll, noch ein getto

Keine Darstellung der DEWEZET, keine Korrektur auch auf Hinweise von Personen, dass dieser Artikel eine rhetorische Frage ist, keine Intervention der Verantwortlichen. Die Kommentatoren verstehen teilweise nicht, dass die Idee eben nicht aus der Politik kommt, die deswegen noch mehr „gehasst“ wird und manche Meinungen lesen sich, als wäre diese fiktive Geschichte bereits beschlossene Sache . Die elf Linkteilungen werden mit „Auch dass noch!!!“ an den eigenen Bekanntenkreis weitergeteilt.

Kommt mehr Rassismus in die Lokalpresse?

Unbenannt-13Jedem Verantwortlichen sollte klar sein, wie sensibel ein solches Thema auch in der freien Presse angegangen werden sollte, die eben keine große übergeordnete Hauspolitik verfolgt, sondern den Anspruch hat, für den Bürger objektiv zu berichten und darüber hinaus auch Bildung zu betreiben. Wenn man ein eigenständiges Thema in die Debatte bringen möchte, sollte dies gerade in der Zeit von Bezahlschranken und Kurzlebigkeit von Informationen überlegter angegangen werden.

Es mag ja sogar sein, dass die Idee als solche gut gemeint war, doch benötigt eine so sensible Idee ein besseres Storytelling und Agenda-Setting, um solche konstruktivistischen Fehler beim Leser zu verhindern.

In Sachsen hat die Demokratie gerade eine Wahlniederlage erlitten. Rassismus und Nationalismus ist dank einer „Alternative für Deutschland“ wieder salonfähig geworden. Nur einige wenige Journalisten und Bürger machen sich die Mühe und schreiben sich überall in der Bundesrepublik in Kommentarspalten und Leitartikeln die Finger wund, um gegen den entstandenen Bildungsnotstand anzukämpfen.

Man fühlt sich schlicht nicht ernst genommen, wenn das Lokalblatt diese Fehler nach Hinweis nicht behebt, nicht in den Dialog mit solchen Personen mit unreflektierten Meinungen tritt, welche sie durch ihre eigene Berichterstattung hervorruft und schlicht manche Kommentare nicht moderiert. Dabei könnte der heutige Journalismus auch hier soviel mehr tun… Auch im Printprodukt veröffentlicht man nicht jeden Brief, warum also lässt man sowas im Internet zu?

Ein gelungenes  Beispiel wie man das Thema Migration angehen kann, liefert gerade das Wochenmagazin Nature. Ein fünf Minuten dauernder Film zeigt einige Migrationsbewegungen seit der Antike. Die University of Texas hat zusammen mit IBM dank offener Daten vom Google Ngram Viewer einen wundervollen Eindruck geschaffen, welche Bereicherung Migrationswellen und Migrationsbewegungen mit sich bringen, wenn man diese dank Datenjournalismus aufarbeitet:

 

Für den Lokaljournalismus und manch eine Provinzstadt sehe ich jedoch auch durch den kulturellen Verlust vom Wegzug anderer Kulturen einen gewaltigen Brain Drain. Wer sich nicht bemüht, seine Leserschaft durch offen zugängliche Informationen auch aus Fremdprodukten zu bereichern, wer sich selbst durch Bezahlschranken einer Möglichkeit der objektiven Darstellung von Informationen beraubt und wer seinen Lesern Sätze wie „Kommen bald mehr Kriegsflüchtlinge nach Hameln…“ zumutet, der muss sich nicht wundern, wenn er entweder eingestellt oder durch einen fremden Mantel von überregionalen Zeitungen, welcher nur dpa-Tickermeldungen beinhaltet, gleichgeschaltet wird.

Leserinnen und Leser gerade von Produkten wie „Nachrichten auf Facebook“ brauchen Menschen, die nicht nur auf den schnellen Klick aus sind, sondern ihnen auch erklären können, was sie dort vorfinden und wie es zu deuten ist. Wenn man sich jedoch die aktuelle Differenz der Darstellung auch manch einer überregionalen Zeitung im Verhältnis zu ihrem Print-Produkt und ihren Facebook-Beiträgen anschaut, merkt man, dass kaum ein Medium noch einer Hauspolitik folgt, was bedauerlich ist.. Denn die Zeitungen, die es noch sehr sichtbar tun, möchte ich nicht in einigen Jahren als einzige überlebende Leitmedien vorfinden.

Lieber Lokaljournalismus, auch für euch zählt: Jetzt schneller sterben ohne Internet!

Update: 03.09.2014:

Im Artikel wurde der Bildunterschriften-Fehler von einem Punkt in ein Fragezeichen geändert.

Update 03.09.2014:

Auf Wunsch des Chefredakteurs Frank Werner der DEWEZET habe ich die von mir angefertigten Screenshots und Fotos überarbeitet.

Ein Foto der kompletten Seitenansicht ermöglichte versehentlich das Lesen des gesamten Artikels. Meine Antwortmail an Herrn Werner beinhaltet auch die Bitte zur Stellungnahme des Inhalts meines Artikels und die Bitte zur Veröffentlichung des Schriftverkehrs, welchen ich hier nachreichen werde, wenn von Herrn Werner gestattet.

Update 04.09.2014:

Auf meine Veränderung des Artikels und meine Email wurde ich nochmals – und letztmalig formlos – von Herrn Werner dazu aufgefordert, alle per Screenshot duplizierten Original-Texte, Fotos, Überschriften, Bildtexte etc. zu entfernen. Nach Rücksprache mit meiner juristischen Beratung habe ich mich dazu entschieden, jegliche Bebilderung aus den Screenshots zu entfernen, da diese ebenfalls nicht notwendig wäre zur Herleitung meines Artikels und diese mit [Artikelbebilderung*] zu ersetzen. Die Texte die nun ersichtlich sind, empfinden wir jedoch dafür notwendig. Auf meine Fragen erhielt ich keine Antwort. Diese lauteten:

  • Wird die Thematik der Asylbewerber in den leerstehenden Häusern weiter verfolgt werden um diese gute Nutzungsidee auszubauen?
  • Besteht die Möglichkeit in Ihrem Haus, fremdenfeindliche, rassistische oder verletzende Kommentare auf Facebook zu moderieren oder Personen von der Diskussion nach mehrmaliger Verletzung dieser Regeln zu sperren?
  • Können Sie sich die Idee in ihrem Haus vorstellen, dass Herr Dr. Gökdemir eventuell bei gegenseitigen Interesse online eine Plattform erhält, zur Befragung und Beantwortung von Sorgen der Hamelner Bürgerinnen und Bürgern beim Thema Asyl/Migration?

Falls notwendig bin ich nun bereit, juristische Konsequenzen einzugehen.

Herrn Werner könnte man als Chefredakteur der Dewezet als Befürworter des Leistungsschutzrechtes bezeichnen.

Der vollständige Artikel lässt sich nach einmaliger Zahlung von nur 0,99 Euro auf der Seite dewezet.de erwerben.

Wer mag kann auch gerne sich bei mir die gedruckte Version persönlich und analog anschauen kommen.

Dies wäre erlaubt und zählt dann auch als höhere Verbreitung der Auflage, was auch Herrn Werner erfreuen wird:

Auflage DEWEZET (IVW.eu)

 

Fertigmachen und Stänkern

Piraten und Medien

Als der Journalist Patrick Tiede eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, sah er sich in einem deutschen Reporter verwandelt. Als solcher hatte er mit seinem Notebook ein paar Tweets einiger Mitglieder der Piratenpartei öffentlich mitgelesen – weil da doch alle so offen sind und man es dann noch einmal in Ruhe bewerten konnte. Tiedes Problem: Journalismus basierend auf Twitter und einigen dpa-Meldungen sind kein kafkaesker Albtraum. Tiedes Lösung: Häme und Respektlosigkeit in seinen Kommentaren.

So geht es zu bei der Presseberichterstattung über die Piratenpartei, die in den jüngsten Presseberichten nach dem medialen Hype um sie gnadenlos in der Gunst der Presse abgerutscht sind – auf gerade noch schlechte Kalauer und irrwitzige Storys über ihre eigene mediale Darstellung.

Die Piratenpartei liefert verlässlich ihre Offenheit in ihren Gesprächen und somit auch ihre Querelen. Ponaders Hartz-IV-Bezüge, die in der Presse nicht von beiden Seiten beleuchtet werden und daher kaum jemand die Sichtweise von Ponader kennt, Rydlewskis Sex-Twitterei, worauf gerade mal 14 Presseberichte im Boulevard eingegangen sind, oder die Nuklearia Atom-Arbeitsgruppe, die mit Butterbroten warme Brüter erklärt – es ist eine bunte Medienwelt von Absonderlichkeiten um die Piraten entstanden. Zwei Medienschichten laufen hier aufeinander.

Erstens: die „alten Medien“ – also jene, die ihre Konsumenten noch auf Papier oder am Bildschirm halten, weil sie sich den neuen Möglichkeiten des Mediums Internet nicht bewusst sind. Und auch sich dieses Verhalten durch Leistungsschutzrechte anstatt neue Antworten sichern lassen. Weil die Piraten hier aber nicht liefern, wenden sich diese Berichterstatter ab. Eine Partei, die sich nicht medial anpasst und trotzdem gar nicht so anders ist als die Anderen – die kommt hier nicht gut an. […]

Am Willen zum zum Diskurs jedenfalls mangelt es nicht. Auf Twitter wird alles von den „alten Medien“ seziert, anstatt über die eigentliche Arbeit berichtet. Und dann kommt es schon mal zu einem Selbstabrechnungs-Tweet, gelesen gestern um 18.10 Uhr:

Die böse Öffentlichkeit, die uns alle kaputt macht, sind wir übrigens selbst. #dickesfell #Piraten

— Gero von Zweifeln (@zweifeln) September 3, 2012

Da auf das „Erstens:“ kein „Zweitens:“ folgte, sondern im Blogkommentar von Tiede nur ein krudes Protestwähler würden abwandern, weil wir keine Antworten auf die großen politischen Fragen hätten kam, konnte ich die Glosse leider nicht vernünftig abschließen und leite darüber lieber das Problem der Piraten mit ihrer Medienkompetenz her.

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Internet-Aktivisten sehen Freiheit in Gefahr

Presse-Artikel der Schaumburger Zeitung vom Freitag, 10. Februar 2012, Seite: 16

Von Lars Lindhorst

Seinen Schlaf hat Torben Friedrich derzeit auf ein Minimum reduziert. Für den 24-jährigen Coppenbrügger sind die Nächte derzeit nach seiner Aussage nicht länger als drei Stunden. Friedrich bezeichnet sich selbst als „Netzwerker für die Hannoveraner“. Friedrich, der für die Piraten-Partei auch im Coppenbrügger Gemeinderat sitzt, organisiert derzeit fast rund um die Uhr einen Protest, der weit über die Grenzen seiner Partei hinausgeht – er richtet sich an die Nutzer von Twitter, Facebook und Co; zum Protest aufgerufen sei letztlich die gesamte Netzgemeinde. Die Freiheit im Internet ist durch das internationale Handelsabkommen ACTA in Gefahr, lautet der zentrale Kritikpunkt.

Die Netzgemeinde läuft derzeit Sturm gegen das „Anti Counterfeiting Trade Agreement“, kurz ACTA. Vor allem im Internet ist ein heftiger Konflikt entbrannt um den Vertrag, der zum Ziel hat, Urheberrechte auch international durchzusetzen. Ende Januar hat die EU das Handelsabkommen unterzeichnet, seither formieren sich quer durch Europa Proteste.

Der ACTA-Vertrag geht auf eine Initiative der USA und Japans im Jahr 2006 zurück. ACTA-Initiatoren und -befürworter wollen mit dem Handelsabkommen die Produkt- und Markenpiraterie bekämpfen, Markenfälschungen und Raubkopien verhindern. „Insbesondere die Pharma-, Film-, und Musikindustrie hat Interesse an dem Abkommen“, sagt Torben Friedrich.

Die Film- und Musikbranche kämpft seit Jahren mit dem Urheberrecht im Internet. In ACTA sehen sie ein Instrument, insbesondere den Raubkopierern das Handwerk zu legen. Geht es nach den Befürwortern des Abkommens, soll dem nun Einhalt geboten werden. Internet-Anbieter, sogenannte Provider, sollen nun für Urheberrechtsverletzungen von Kunden haftbar gemacht werden können. Darüber hinaus sollen sie Daten wie die IP-Adresse herausrücken, die bei Verstößen eine Identifizierung von Personen ermöglichen. Inhaber von Urheberrechten könnten dann ihre Ansprüche juristisch durchsetzen. Ferner sollen Maßnahmen gegen die Umgehung von Kopierschutztechniken ergriffen werden. „Dadurch werden Provider und Webseitenbetreiber ermutigt, ihre Nutzer zu kontrollieren“, kritisiert Friedrich. Dass das gegebene Urheberrecht, besonders angewandt auf das Internet, schon lange nicht mehr zeitgemäß ist, betonen Piraten-Partei und viele Internetnutzer schon lange. Die ACTA-Kritiker sehen nun aber eine weitere Verschärfung des vermeintlich überholten Urheberrechtes. „Die alltägliche Nutzung des Mediums Internet, so wie sie jetzt gegeben ist, wird es durch ACTA nicht mehr geben“, ist Friedrich überzeugt.

Aber dies ist nicht der einzige Knackpunkt: Der Protest der Netzgemeinde entzündet sich auch an der Entstehungsgeschichte des Vertrags seit 2006. Hinter verschlossenen Türen, ohne Beteiligung der Öffentlichkeit, quasi als „Geheimvertrag“, sei das Abkommen ausgehandelt worden. Zwar wurde der Vertragstext zwischenzeitlich entschärft, sagt Friedrich, aber viele Fragen blieben offen. „Und es gibt einfach viel zu viel Interpretationsspielraum.“

Dem stimmt Netzaktivist Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft und Mitglied der Internet-Enquete des Bundestags, zu. „Wenn es dann zu unterschiedlichen Interpretationen kommt, ist die Frage: Geht das Pendel in Richtung Meinungsfreiheit oder in Richtung Schutz von geistigen Monopolrechten?“, lautet sein Einwand.

Von einem demokratischen Verfahren könne beim ACTA-Abkommen jedenfalls nicht die Rede sein, betont Torben Friedrich. „Kein einziger gewählter Abgeordneter war daran beteiligt.“ Ein Umstand, an dem gerade die Piraten-Partei als Initialzünderin der Protestaktion Anstoß nehme, stehe sie doch zu Grundsätzen von Basisdemokratie und Transparenz.

Deutschland hat ACTA noch nicht unterzeichnet – was aber nach Informationen aus dem Auswärtigen Amt in Kürze nachgeholt werden soll. Zu den 37 Staaten, die das Abkommen vereinbart haben, zählen unter anderem die 27 EU-Mitglieder, die Schweiz, die USA und Japan.

In Polen und Tschechien, seit gestern auch in Lettland, wurde hingegen die Ratifizierung des Vertrags nach heftigen Protesten vorerst ausgesetzt. „Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass die bürgerlichen Freiheiten und der freie Zugang zu Informationen in irgendeiner Weise bedroht sind“, erklärte der tschechische Ministerpräsident Petr Necas diese Woche.

Solche Bedenken werden in der Bundesregierung nicht geteilt. Aus dem Abkommen lasse sich keine Aufforderung zur Veränderung der geltenden Rechtslage ableiten, in welche Richtung auch immer, betont Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Der auf IT-Recht spezialisierte Fachanwalt Thomas Stadler in Freising stimmt zu: „Wenn man sich den ACTA-Text anschaut, dann findet man dort fast nichts, was nicht in Deutschland ohnehin schon geltendes Recht wäre.“ Die aktuelle Diskussion werde vielfach unsachlich geführt. Dabei gebe es gute Gründe, gegen ACTA zu sein. So werde mit ACTA „eine urheberrechtliche Richtungsentscheidung“ zementiert, „die einseitig die Rechteinhaber begünstigt und wenig Rücksicht auf das Gemeinwohl nimmt“. Nötig sei ein fairer Ausgleich der Interessen. Gemeint ist damit die Vereinbarkeit von privatwirtschaftlichen Interessen und denen der allgemeinen (Internet-)Öffentlichkeit.

Auch die Internet-Enquete-Kommission des Bundestages betont in einem Zwischenbericht, „dass das Urheberrecht an vielen Stellen durchaus einer systematischen Anpassung bedarf, um in der digitalen Gesellschaft einen angemessenen Ordnungsrahmen für immaterielle Güter zu erhalten“. Neben den berechtigten Ansprüchen der Urheber sei auch „das allgemeine Interesse an der Förderung von Kreativität, Innovation und Erkenntnisfortschritt zu berücksichtigen“. Weil die Interessen von Verlags-, Film- und Musikbranche auf der einen Seite und den Internet-Nutzern auf der anderen Seite weit auseinanderklaffen, scheint aber eine Reform des Urheberrechts, die beiden Seiten gerecht werden könnte, in weiter Ferne.

Die ACTA-Lage ist komplex und richtet sich nicht ausschließlich auf den Bereich Internet-Urheberrecht. Europas Grüne, die sich ebenfalls zu den ACTA-Gegnern zählen, bemängeln den Weg beim Schutz von gewerblichen Patenten. „Die Luft von Repression und nicht von neuen, alternativen Wegen“ sei ein fader Beigeschmack.

Die Grünen-Europaabgeordnete und Entwicklungspolitikerin Ska Keller bemängelt den erschwerten Zugang zu Medizin in Entwicklungsländern, den ACTA mit sich bringen würde. „Das Problem bei ACTA ist, dass Generikamedizin ungerechtfertigterweise der Kategorie Produktpiraterie“ zugeordnet wird, wenn zum Beispiel das Etikett dem des Originalprodukts ähnlich ist. „Selbst wenn in der finalen Version von ACTA jeglicher Bezug zu Patenten gestrichen würde, bliebe dieses Problem bestehen“, schreibt sie auf der Internetseite der Europa-Grünen. Damit berge ACTA die Gefahr, „dass der Wettbewerb unterbunden wird und so zu höheren Preisen für Medizin führt“.

Während der CDU-Europa-Abgeordnete Daniel Caspary das Abkommen als einen „Meilenstein im Kampf gegen Marken- und Produktpiraterie“ bezeichnete, wächst in der Nachwuchsorganisation der Christdemokraten ebenfalls Widerstand. „Das Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement (ACTA) ist ein Angriff auf die Freiheit im Netz und hat unabsehbare Folgen für den ungehinderten Zugang der Nutzer zu digitalen Informationen. Das intransparente Aushandlungsverfahren des Abkommens lässt zudem Zweifel an der demokratischen Legitimierung aufkommen. „Die Junge Union ruft die Angehörigen des Europäischen Parlaments daher dazu auf, das ACTA-Abkommen in seiner aktuellen Form nicht zu unterzeichnen“, erklärten die stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Dorothee Bär, und Bundesvorstandsmitglied Henrik Bröckelmann.

Gestern Abend konnte Torben Friedrich bereits auf die Unterstützung von knapp 3000 Internetnutzern bauen, die über das soziale Netzwerk Facebook ihre Teilnahme an der Protestaktion am Samstag auf dem Opernplatz in Hannover zugesagt haben. Für die Demonstration vor dem Mindener Dom verzeichnete die lokale Aktionsgruppe rund 500 Zusagen. Torben Friedrich ist sich sicher, dass sich bis morgen noch viele weitere Demonstranten mobilisieren lassen. Seiner Einschätzung nach werden das vor allem junge Internetnutzer sein. „Durch das Abkommen sehen viele junge Menschen ihren sozialen Raum schwinden“, meint Friedrich.(mit dpa)

Im Internet wächst der Widerstand gegen einen Vertrag, der die Durchsetzung des Urheberrechts international verankern soll. Das sogenannte ACTA-Abkommen soll Unternehmen vor Markenpiraterie und Raubkopien schützen. Für diesen Samstag sind Massenproteste in über 50 deutschen Städten angekündigt. Auch im Weserbergland wird der Protest organisiert.