Liebe Nerds in der Piratenpartei,
ich spreche euch hier so explizit an, weil ich manchmal glaube, dass ihr selber nicht mehr wisst, wer ihr seid. 2006 haben sich sogenannte technische Nerds zusammengesetzt und eine Partei gegründet, weil sie in ihrem Bereich der Netzpolitik erkannten, dass etwas in diesem Land falsch läuft. Sie wollten das System hacken, sie wollten es umprogrammieren, sie wollten es neu schreiben und verbessern, weniger anfällig machen und benutzerfreundlicher gestalten. Darin waren sie gut und sie stellten fest, dass die anderen Parteien hier nicht vernünftige Politik aus Unverständnis an der Thematik heraus machen können.
Damit hatte diese Personengruppe Erfolg und schafften es, bis September 2011 Kommunalmandate in Niedersachsen zu gewinnen und in das Berliner Abgeordnetenhaus einzuziehen. Aus diesen Überraschungserfolgen heraus gelang es weitere drei Landesparlamente zu gewinnen. Dies gelang aber auch nur, weil viele Personen mit anderen Schwerpunkten in die Partei eintraten und die den IT-Nerds aufzeigten, dass auch in den anderen Bereichen, in denen diese sich nicht so gut auskannten, Probleme und Fehler sind, die neu „programmiert“ werden müssten. Spannend ist, dass auch diese Personen zum Großteil Nerds in ihren Bereichen sind, selbst wenn sie sich so vorher nie bezeichnet hätten.
Sie sind Fachidioten, die sich mit dem Sozialsystem und dessen Fehlern auskennen und uns die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen mitgebracht haben. Sie sind Langweiler, die uns durch ihr Infrastrukturverständnis Ideen wie das fahrscheinlose Nahverkehrssystem gegeben haben. Sie sind Außenseiter, die uns Fehler in der Migrationspolitik aufgezeigt haben und wie man diese lösen könnte. Sie sind Sonderlinge, die uns zeigten, wie die aktuelle Familienpolitik in Deutschland viele Menschen ausgrenzt und ihre individuellen Lebensmodelle behindert. Doch durch jede weitere Person die man in ihrem Bereich auch einen Nerd nennen kann, obwohl er nichts mit Netzpolitik zu tun hatte, kamen nicht nur neue Themen und Bereiche dazu, sondern auch Misstrauen.
Denn anstatt diesen Nerds zu vertrauen, wollte der Großteil den Überblick über alle Themen behalten und man diskutierte in Bereichen mit, in denen man sich nicht auskannte, aus Angst, sie würden dort falsche Ideen liefern. Anstatt auf unser Grundsatzprogramm und unsere Kernthemen zu vertrauen, welche sich auf alle Themen ausbreiten lassen, wenn Sonderlinge die hier thematisches Verständnis haben sich mit beschäftigen, wurde das Misstrauen gegenüber den anderen Sonderlingen größer. Denn niemand war bereit zuzugeben, sich in diesen Bereichen nicht auszukennen und das man selbst die Angst hatte, den thematischen Überblick zu verlieren.
Misstrauen ist der Schlüssel den wir in dieser Partei bekämpfen sollten, um wieder aktiv arbeiten zu können und uns nicht selber in der programmatischen oder sonstigen Arbeit in der Partei zu behindern. Alle Mitglieder, die in der Piratenpartei produktiv arbeiten sind in keine andere Partei gegangen, weil sie der aktuellen Parteienlandschaft misstrauen. Aus Misstrauen an der aktiven Politik, wurde die Piratenpartei gegründet. Doch seit wir selber eine ernst zunehmende Partei geworden sind, die aktiv Einfluss auf die Politik in Deutschland nimmt und noch mehr könnte, misstrauen wir uns selbst.
Misstrauen muss in dieser Partei bekämpft werden und jeder sollte sich um die Themen oder Dinge kümmern die er beherrscht, damit wir uns nicht selber weiter ins Wort fallen und uns mit der Umsetzung unserer Inhalte beschäftigen können. Wenn wir wollen, dass der parteiinterne Streit aufhört, sollten wir wieder versuchen, dass wir uns nicht selber auseinander nehmen, sondern gemeinsam die anderen Parteien wieder auseinander treiben, zeigen wo ihre Schwächen sind und warum es eine Partei benötigt, die das System positiv verändern kann und will, gerade weil es aus Nerds in so vielen gesellschaftspolitischen Bereichen besteht.
Misstrauen hat dazu geführt, dass Personen sich gegenseitig bedrohen, weil sie kein Verständnis für die Arbeitsmethode des anderen Mitgliedes haben, obwohl sie gemeinsam für die selbe Grundidee arbeiten. Doch in dem Moment, wo sich Fachidioten, Langweiler, Außenseiter und Sonderlinge gegenseitig misstrauen und bedrohen läuft etwas falsch.
Wenn diese Personen, die ein Problem mit der „normalen“ und aktuellen Politik haben sich gegenseitig in ihrer Arbeit blockieren und behindern, anstatt gemeinsam für die selben Grundideen zu arbeiten, verändert niemand etwas. Deshalb dürfen diejenigen, die sich unter dem Begriff der Nerds zusammenfassen lassen, es nicht hinnehmen, dass einige genau in die Struktur verfallen, die bei anderen Parteien dazu geführt hat, dass wir ihnen misstrauen.
Wir dürfen uns nicht gefallen lassen, dass im Hintergrund Mitglieder von Einzelpersonen bedroht werden, weil diese mit deren Arbeit in einem politischen Amt unzufrieden sind, sondern es eher wertschätzen, wenn diese bedrohten Personen sich dann trauen damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir dürfen uns nicht gefallen lassen, wenn jemand seine Ideen in der Partei nicht so ausarbeiten kann, wie er es für richtig hält, weil er mit anderen Werkzeugen nicht arbeiten mag oder aus Unverständnis nicht kann, sondern es wertschätzen, wenn diese Personen sich trotzdem trauen in der Partei aktiv zu werden.
Egal ob die Mitglieder in dieser Partei sich im Mumble oder lieber in Arbeitsgemeinschaften austauschen, lieber in Kreisverbänden oder Crews sich organisieren, mit Stift und Zettel oder dem Piratenpad arbeiten wollen. Entscheidend ist, dass wir allen die Möglichkeiten weiterhin offen halten mitzuarbeiten und zu gestalten ohne sie wegen einer anderen sinnvollen Arbeitsmethodik zu behindern. Denn nur weil sie einem selbst nicht liegt, heisst es nicht, dass sie uns als Partei nicht weiterbringt..
Wir sollten aber diejenigen, die sich genau gegen diese Offenheit aus Misstrauen an anderen Personen, deren Themen und deren Arbeitsmethodik, in ein Verhalten verfallen, welches wir in anderen Parteien schon verachtend fanden, daran hindern, dass Misstrauen zu verstärken.
Sobald dies der Fall ist, dass andere Mitglieder diskreditiert werden oder es versucht wird, durch emotionalen Druck aus der Partei oder einem Amt zu mobben, sollten wir alle die sich als Nerd verstehen, gegen solches Verhalten vorgehen. Denn genau dieses ausgrenzende Verhalten hat uns erst in diese Partei gebracht, da wir genau mit solchen Methoden in anderen Parteien nichts zu tun haben wollten.
Die Piratenpartei ist nicht eine wählbare Alternative in der Politik geworden, weil im Hintergrund die selben Mechanismen laufen, wie in anderen Parteien. Die Piratenpartei ist auch nicht eine Alternative geworden, weil sie sich an die vorgefundenen Spielregeln gehalten hat, sondern eben gerade sich gegen solche Mechanismen verwehrt hat und sich für Außenseiter einsetzt, die in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden und die auf Fehler in Systemen hinweisen und sich dann für diese aktiv einsetzt und verteidigt.
Deshalb sollten wir gemeinsam als Partei uns gegen solches Verhalten offen wehren und zum Beispiel die LQFB-Ini „Drohungen/Nötigungen/Erpressungen öffentlich machen“ unterzeichnen, sie ausarbeiten oder ganz klar Möglichkeiten schaffen uns wieder gegenseitig mehr zu vertrauen.
Alle die in dieser Partei arbeiten, ohne die Grundwerte und Kernthemen aus den Augen zu verlieren, haben das selbe Ziel und den selben Grund dies zu erreichen:
Weil sie alle Nerds sind, oder wie Christopher Lauer sagte:
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