Von Blackfacing, über Forstingenieurin zum Genderprogramm der Piratenpartei
Ich mag South Park, diese kleine US-amerikanische Serie, mit ihrem sehr aggressiven Humor und der kontroversen Inhalte. Trey Parker und Matt Stone haben in ihrer bisher 16 Staffeln langen Serie mir keine bekannte Randgruppe ungescholten gelassen und so der angeblichen Mehrheit der Gesellschaft ihre Individualität, Macken und Irrsinnigkeiten aufgezeigt. Und genau aus diesem Grund ist die Serie so liebenswert. Als sie um das Jahr 2000 rum erstmalig ausgestrahlt wurde, war ich definitiv zu jung um dank Werbeblöcken und später Uhrzeiten, sowie unregelmäßiger Sendezeiten ihren Mehrwert zu erkennen.
Erst letztes Jahr habe ich mir wegen der Empfehlung eines Freundes die Zeit genommen, SouthPark dank http://southpark.de regelmäßig und ohne Werbeunterbrechung anzugucken und Parallelen zu mir dann bekannten Ereignissen seit meiner Zeit bei den Piraten, dem Universum und dem ganzen Rest zu ziehen.
Nun schenkte ich besagtem Freund zu Weihnachten eine Eintrittskarte in das Theaterstück „Süd Park“ im jungen Schauspiel Hannover, welches erst am 30. Dezember seine Premiere hatte.
Kurzzusammenfassung: Ich habe selten im Theater so viel gelacht, mich ertappt gefühlt, mich geschämt und sooft einen Spiegel vorgehalten bekommen.
„Liebe Menschinnen, Feministen, Moslems, Professors, IntelligenzallergikerInnen, maximal Pigmentierte und solche, die es werden wollen: Dieser Theaterabend widmet sich einem Thema, das in der heutigen Gesellschaft entweder unter- oder überbewertet wird und deshalb unter den Nägeln brennt: Die Rede ist von „Political Correctness“. Egal, wo Sie sich aufhalten, sozialisieren, erziehen oder all dem verweigern: Die PC entscheidet darüber, ob Sie zu den Ewiggestrigen gehören oder zu den Ordnungshütern. Oder anders formuliert: Entweder essen Sie noch immer ein Zigeuner- oder schon ein korrektes Balkanschnitzel. Mohrenkopf oder Schokokuss – das ist hier die Frage.“ – Auszug aus der Einleitung des Programmheftes
Rahmenhandlung des von Malte C. Lachmann geschriebenen Stücks ist die Folge „Bitte ein N“ in der Randolph „Randy“ Marsh (gespielt von Peter Sikorski) versehentlich live im Fernsehen das Wort „Nigger“ sagt und damit über Nacht zum meistgehassten Youtube-Star wird. Dies wirft in der TV-Folge und auch im Stück die Frage auf, warum genau man das eigentlich nicht sagen sollte, selbst wenn man es gar nicht böse meint.
An dieser Rahmenhandlung entlang hat Lachmann jedoch alle mir bekannten aktuellen deutschen PC-Themen angeknüpft und diese perfekt in die pädagogische Lehre des/der trans-homo-sadistischen Lehrer*in Mr. oder Mrs. Garrison (gespielt von Henning Hartmann) eingearbeitet.
Die Märchenumschreibdebatte der Gebrüder Grimm bekommt als erste absolute Überspitzung eine eigenwillige Neuinterpretation von Rotkäppchen, welche besagte Mrs. Garrison seiner Schulklasse vorliest. Diese Überspitzung prasselt durch Lichtunterstützung und einer unglaublichen Euphemismuskaskade – unterstrichen mit Peitschenhieben – auf die Zuschauer ein und wird so dramatisiert, dass der Zuschauer nicht weiß, ob er er wie Cartman (gespielt von Dominik Maringer) heulen oder wegen der Irrsinnigkeit einfach lachen soll.
Und dies Überflutung bemerkt man gefühlt auch im Publikum. In Lachmanns „Süd Park“ kriegen auch Gender-Mainstreaming, Umweltschutz, Homosexuelle, weiße privilegierte Heteromänner, Adipöse, Behinderte, alle größeren Religionsgruppen und der Feminismus ihr Fett weg. Jedem/Jeder Zuschauer*in sieht man eine kurzzeitige Empörung über die eigenen Werte an, die wechselt in Ergriffenheit und bitterböses Lachen über die gesellschaftliche Selbstkarikierung in der man sich individuell wiederfindet.
Geeint wird selten gelacht, man schaut sich empört im Publikum um und ertappt sich nur kurzweilig gemeinsam beim eventuell transsexuellen „Butters“ Stotch (gespielt von Tina Haas) bei nostalgischer Erinnerung an eine Zeit ohne Smartphones.
Darin darf man sich jedoch nicht lange ausruhen. Zwischen kritisierten Rap von Kool Savas, über eine im Unterricht zu erschießende Kuh zur Rettung des Klimas, bis hin zum Burkini-Schwimmanzug den sich Cartman von einer muslimischen Mitschülerin ausleiht, kommt man als Zuschauer kaum zur Ruhe. Es wird aus dem Genderprogramm der Piratenpartei (SIC!) vorgelesen und in der Wikipedia gesucht um dem Publikum und Stan (ebenfalls gespielt von Henning Hartmann) zu erklären, was es denn überhaupt mit der Wichtigkeit von richtiger Sprache auf sich hat.
Außerdem, mehr so nebenbei, erzählt ein geschauspielerter Roberto Blanco (der deutsche Ersatz für den in der Original-Serie auftauchenden Kaiser Bürgerrechtler Jesse Jackson) dem Publikum und einem ebenso schwafelnden wie positionslosen Günther Jauch in der Sendung „Wie viel Rassismus verträgt Deutschland„, dass er stolz auf seine Hautfarbe ist und in ihr in einer rassistischen Nachkriegszeit seinen maßgeblichen Erfolg sieht und es wird um den verstorbenen Dirk Bach getrauert.
Prädikat: Pädagogisch wertvoll. Vorsicht vor den Elternabenden!
Kurzum: Ich wurde mit all meinen gut gemeinten Ansätzen selber gefoltert, ich bekam all meine Dummheiten im Umgang mit meinen Mitmenschen vorgeführt und ich war danach erleichtert, dass es endlich vorbei ist, aber glücklich, dabei gewesen zu sein.
Was man jedoch an dem fast zweistündigen gemeinsamen Abend nach dem „SCHLUSS!„-Ruf des unglaublich penetranten (dies ist im Zusammenhang mit „Süd Park“ als Lob zu verstehen) Pianisten Dean Wilmington dank Tina Haas, Henning Hartmann, Dominik Maringer und Peter Sikorski zusammen mit dem restlichen Publikum lernt, ist dass nervende Schulklassen die einem mit ihren ätzenden Chipstüten und Selfie-Fotos auch noch die ausverkauften Sitzplätze streitig machen wollen, genauso gerne „DIE SCHWEINE!“ beim Tod von Kenny (gespielt von Tina Haas) rufen, wie man selbst.
Ich ziehe meinen Hut vor den Lehrenden, die ihre eventuell achte oder neunte Klasse in dieses Stück mitgenommen haben, denn wenn meine Eltern damit konfrontiert gewesen wären, dass ich begeistert und selbstreflektiert aus einem Stück voller Schimpfwörter, Hitlergrüßen, Menschenfeindlichkeiten (also mensch [man] im Sinne von jede*r), nachhause gekommen wäre, ich wäre nicht gerne beim Elternabend dabei gewesen.
Daher meine Empfehlung:
29.01. | Mi | 19:30 | Karten |
04.02. | Di | 19:30 | Karten |
27.02. | Do | 19:30 | Karten |
28.02. | Fr | 19:30 | Karten |
Noch die letzten Karten in den verbleibenden vier Vorführungen sichern und oder an Gutmenschen, Ordnungshüter oder Parteifreunde verschenken, denn dieses Stück ist genau dass, was auf dem Lehrplan in Deutschland gefehlt hat.
Vielleicht sieht man sich, denn ich werde nochmal reingehen müssen um das Stück mit meinem Smartphone aufzunehmen und ins Internet hochzuladen, bevor es abgesetzt wird.
Komplett egal, ob dies korrekt ist oder nicht, es gehört hier einfach nach Absetzung hin.
PRESSESTIMMEN
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- Entwaffnend Huffington Post, 14.01.14 mehr