Zerstreuungsparadoxon

mygirl

Das Problem ist ja nicht nur, daß unser Leben sich durch blinkende Benachrichtigungen und piepsende Symbole und die endlosen Twitter-, Facebook-, Snapchat-, Youtube-, Whatever-Timelines in eine einziges riesiges Prokrastinationsfestival verwandelt hat, nein, das eigentliche, größere, schlimmere Problem ist, daß all die Dinge, die man eigentlich immer gebacken kriegen will, anstatt auf Facebook, Twitter, Youtube, Zeitungen oder Fernsehen herumzuhängen, also all das, was man im Kopf hat, wenn man denkt:

Scheiße, jetzt hänge ich hier schon wieder fest, 12:00 Uhr und noch nix geschafft – all dieses schöne, große, wünschenswerte, das man eigentlich erschaffen sollte, es verwandelt sich dann auf der anderen Seite in die Ablenkung der anderen.

All die Kulturproduktion, all die Songs und Texte und Bücher und Filme und Bilder und anderen tollen Produktionen sind dann am Ende einfach nur Teil der großen Zerstreuungstimelines, vor der dein potentielles Publikum sitzt und denkt:

Scheiße, eigentlich sollte ich dieses und jenes, aber stattdessen bin ich jetzt hier an diesem mittelguten Film/Text/Kulturding hängengeblieben, 12:00 Uhr und noch nix geschafft.

Man kann sich eigentlich nur noch geschlagen geben, Kinder in die Welt setzen und darauf hoffen, daß die es mal besser machen, ach nee, die verwandeln sich ja schon vor dem Schulalter in willenlos daddelnde Zombies.

Ich fürchte, wir kommen da nicht mehr raus, liebe Menschheit.

Frühlingsverkehrskontrolle

giphy
Liebe Verkehrspolizisten,
der Frühling ist eingekehrt. Die Grünstreifen geben sich Mühe in ihrer spärlichen Bepflanzung zu blühen, die Kleidung der Passanten wird leichter und ihr müsst in all diesem Chaos euren schweren Job begehen. Als wir uns letzte Woche auf meinem Heimweg von der Arbeit trafen, kamen Realitäten aufeinander, die ich so nicht erwartet hätte.

Über Zeitvertreib und andere Verkehrsdelikte

Als ich klein war, habe ich mir viele verschiedene Spiele ausgedacht, die ich auf langen Autofahrten spielen konnte, um mir die Zeit zu vertreiben. Wenn die  vier AA-Batterien des GameBoy alle waren, musste ich schließlich beschäftigt werden.

Zum Beispiel hatte ich ein Buch, in dem ich die Kennzeichenherkunft der an uns vorbeifahrenden Autos erraten konnte. Von Augsburg (A) über Ilm-Kreis (ARN), bis hin zu Duderstadt (DUD) oder Quedlinburg (QLB) und Wittstock/Dosse (WK): Ich kannte sie alle.

giphy (1)Schutzplanken dienten mir als eine Art Laufbahn für einen imaginären pixeligen Protagonisten der ein bisschen wie eine Mischung aus Megaman und Sonic ausgesehen hatte und immer einen sehr weiten Sprung zurücklegen musste, wenn sie plötzlich im Boden verschwand und erst nach einiger Zeit wieder auftauchte.

Waren nur Leitpfosten am Straßenrand, flog ein wohl aus dem Spiel „Star Fox“ inspirierter Arwing an ihnen vorbei, über sie rüber oder sammelte Punkte, indem er ihre orangenen oder weißen Reflektoren zerschoss.

Einige Spiele waren ganz klar meiner eigenen Phantasie entsprungen, andere dachte ich wären sowas wie ein allgemein bekanntes Phänomenen. Zum Beispiel den Luftwiderstand zu nutzen, um mit der eigenen Hand fliegen zu können. Sie diente bei mir neben des unbeschreiblichen Gefühls der Leichtigkeit auch als Sprungplattform für den oben genannten „Megasonic“ oder als Arwing-Ersatz. Das ihr mich wegen meiner fliegenden Hand in der letzten Woche aber aus dem Verkehr zieht, hat mich dann doch überrascht.

Ihr kanntet das Spiel nicht. Ihr dachtet als ihr an mir vorbeigefahren seid, ich hätte euch einen  verbotenen nationalsozialistischen Gruß entgegengebracht. Euch zu erklären, dass ich mir durchaus bewusst bin, dass das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verboten ist und ich lediglich das warme Wetter, den Fahrtwind und die Musik aus dem Radio genossen hätte, war schon sehr kafkaesk.

Ich dachte im Verkehrsdienst wird man öfter mit sowas konfrontiert und würde darin nicht eine Verletzung der persönlichen Ehre sehen oder gar einen Aufstand gegen das vorherrschende System. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr kulant gewesen seid und mir geglaubt habt, dass ich nur im Frühlingsmodus gewesen bin, dauerte dies auch einen kurzen Moment und eine Erklärung meines Verhaltens. Ich verschwieg euch bewusst meine oben dargelegte Phantasie um eventuelle Verzögerungen durch Alkohltests zu vermeiden und blieb bei der physikalischen Beschreibung des genutzten Phänomenen, doch irgendwie bleibt ohne das Festhalten der Geschichte ein fader Beigeschmack.

Welche Kindheit habt ihr durchgemacht, solche Spielereien nicht zu kennen? Und wie sieht der heutige Alltag bei der Verkehrspolizei aus, wenn man keine Kinder oder Erwachsene mehr sieht, die den Arm aus dem Autofenster halten um den warmen Luftzug zu genießen, der leicht die Hand abheben lässt?

hand window flyingIch bin euch wirklich dankbar für den Einblick den ihr beide mir in eure Lebensrealität gegeben habt und hoffe unsere Begegnung hat euch genauso amüsiert wie mich. Ich wusste bisher nicht wie ich damit umgehen sollte, doch ich finde sowas gehört aufgeschrieben. Ich hoffe ihr tragt genauso wie ich unsere kleine Geschichte die wir zu Dritt erlebt haben in die Welt. Ich hoffe ihr habt Kinder und bringt ihnen die für euch neuen Möglichkeiten der Fahrtzeit-Überbrückung abseits von Smartphones bei.

Oder vielleicht sehe ich ja bald auch mal den ein oder anderen Verkehrspolizisten, der seine Hand aus dem Dienstwagen hält und einfach mal das Wetter und das Leben abseits der Straße genießt.

 

Flüchtlingshilfe sucht MP3-Player

51+9r+18puLMein lokaler Flüchtlingsunterstützerkreis sucht aktuell Abspielgeräte für Deutschkurse. Ich habe mich dazu bereit erklärt MP3-Spieler mit der von einer Firma kostenlos bereitgestellten Lerneinheiten zu bestücken, nur leider gehen die bisher gespendeten Abspielgeräte aus.

Ich würde mich sehr freuen, wenn sich einige Leserinnen und Leser bereit erklären würden, für 11,66 Euro mir diese MP3-Spieler zu schenken und zu schicken, damit weitere Personen von der Spende der Lernsoftware profitieren können.

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Das Gerät scheint bei Amazon das günstigste mit internen Speicher und inklusive Kopfhörern zu sein. Natürlich würde ich mich auch über gebrauchte Geräte freuen oder einen Händler, bei dem solche Geräte eh nur verstauben. Vielleicht kennt ihr auch noch ein günstigeres Gerät.

Adresse zum versenden von Geräten ist im Impressum.

Lesezeichen vom 07.07.2015

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tilde

  • priceonomicsThe Bizarro Life of Cartoonist Dan Piraro
  • Dan Piraro spricht über Bizarrocomics.com, wie er zum zeichnen gekommen ist und warum er gerne Salvador Dalí sein wollte.

  • Information Graphics & VisualizationA dialogue between a reporter and a visualization journalist
  • Ein lesenswerter Dialog zwischen „Text“- und „Visual“-Journalisten. Jeder der $irgendwas mit Design für Kunden gemacht hat, kennt solche Gespräche. Ich meistens aus Sicht des Kunden.

  • Perlen aus Freital
  • Verstörendes Archiv über die „besorgten Bürger“ der sächsischen Kreisstadt Freital und derer Sympathisanten. Ich hoffe auf viele Fake- und Marionettenaccounts.

  • BeziehungsgartenDie ultimative deutschsprachige Bücherliste Polyamorie
  • Ausführliche Liste über polyamore Literatur. Nun noch die Esoterik von der interessanten Büchern trennen.

  • DWDL.de„Plötzlich Krieg?“: Sozialexperiment bei ZDFneo
  • Klingt interessant. Bisher scheint aber nur die Pressemitteilung zu kursieren.

  • DWDL.deAxel Springer und ProSiebenSat.1 sprechen über Fusion
  • Die Fusionsgespräche von 2006 sind wieder auf dem Tisch. Spannend ist die Entwicklung, dass nun Axel Springer SE als Senior Partner im Gespräch ist. Durch den Verkauf für die Funke-Übernahme und mit dem Urteil von 2014 im Koffer, sicherlich schwer diesmal etwas auszurichten.

  • DIE WELTGerichtsentscheid: Springer hätte ProSiebenSat.1 übernehmen dürfen
  • Wichtiges Urteil und wichtiges Zitat von 2014 zur Fusion P7S1 und AE SE: „Roland Pühler, Leiter Gesellschafts- und Kartellrecht bei Axel Springer, erklärte zu dem Urteil: „Auch wenn die Übernahme selbst für uns heute nicht zur Debatte steht, so war uns doch wichtig, Rechtsklarheit zu gewinnen.“

    Die Lotsin geht von Bord

    Unbenannt-1

    Die Bindung zwischen Friede Springer und ihrer Beraterin und Kanzlerin Angela Merkel war stark gewesen. Die Medienzarin vertraute ihrer Kanzlerin und befolgte meist auch ihre Ratschläge. Doch ihr Chefredakteur Kai Diekmann und Merkel konnten sich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr leiden und lieferten sich ab der Griechenland-Krise eine Machtprobe. Der junge Kai wollte seine eigenen Entscheidungen treffen.

    Die Lotsin geht von BordKai und Angela waren nicht oft verschiedener Meinung
    Der junge 51-jährige Chefredakteur wollte allein regieren und sich in seinen Entscheidungen keinesfalls von der Kanzlerin hineinreden lassen. Immer wieder gab es Themen, bei denen die beiden verschiedener Meinung waren. Vor allem am vom Merkel geplanten dritten Hilfspaket entzündete sich der Streit. Diekmann wollte noch härter gegen die linken Länder in Europa vorgehen. Doch Merkel stimmte ihm in diesem Punkt nicht zu.

    Merkel gab auf
    So kam es am Ende zu einem endgültigen Bruch zwischen den beiden. Merkel zog sich nach ständiger Kampagne gegen ihre Politik aus dieser vollständig zurück und gab ihr Amt auf. Bekannt wurde diese Entscheidung 2016 durch ein beschreibendes Titel-Bild mit dem Titel „Die Lotsin geht von Bord„, das im eigenen Hausblatt von Diekmann erschien. Lange Jahre hatte Merkel die politische Geschichte des Deutschen Europas als Lotsin mit zu verantworten gehabt. Jetzt verließ sie endgültig das mediale Narrenschiff unter Führung des Konzerns Axel SpringerSE/P7S1 Media.

    tilde

    Wenn Geschichtsmetaphern wie die heutige BILD-Titelstory „Heute brauchen wir die Eiserne Lady“ so daneben liegen, sollte man vielleicht wenigstens auf die Pressegesetze unter Bismarck, seine Sozialistengesetze und der geschichtlichen Einordnung zwischen Kanzler und Kaiser eingehen und sich dann überlegen ob man ein solches Bild wirklich kontextlos verwenden will. Kann man aber nicht erwarten. Stattdessen wird die Pickelhaube unreflektiert für die eigene Kampagne missbraucht. Ist ja nicht so, als ob die Grexit-Kampagne der BILD bereits genug Kritik erfahren hätte..

    Update 21:25 Uhr:

    Ein netter Fund im Archv der Bild. Wenn der britische Boulevard Pickelhauben benutzt ist es Gift und Galle (Link zu BILD.de), wenn es die BILD macht Journalismus.

    Screenshot: Startseite BILD.de – 07.07.2015

    Lesezeichen vom 06.07.2015

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    tilde

      • Ronnie Grob6 vor 9 – ein Blick zurück »
      • Sehr schade aber nach dem Text verständlich.. Doch ich schätze Natalie Mayroth in der TAZ und SZ und bin gespannt. Die „6 vor 9“ sind seit Beginn ein fast täglicher Begleiter unter Ronnie Grob für mich. Ich wurde zwei Mal (1 & 2) in den „6 vor 9“ erwähnt und der Server ist jedes Mal in die Knie gegangen. Nur Fefe war schlimmer.

      • ZEITmagazinHarald Martenstein und Axel Hacke zur Kolumne
      • Harald Martenstein mit Axel Hacke in einem wundervollen Doppel-Interview. Sabine Rückert hat sicherlich ihre Freude gehabt…

      • Painter’s Graphic Designer on Behance – Logos
      • Francesco Vittorioso hat die Logos von Google, Nike, Puma, Macintosh, Pepsi, Starbucks und Apple in verschiedenen Künstler-Stilen neu interpretiert. Nett anzuschauen.

      • Yanis Varoufakis Minister No More!
      • Der Yanis darf nun wieder bloggen und Professor der Ökonomie in Athen werden. Für mich ja noch immer das lebende Pendant des Phillip Christensen aus der Serie Borgen.

      • us vs th3m1746 map of London now available as an incredibly detailed Google map
      • Google Map der Stadt London aus dem Jahre 1746. Nettes Datenprojekt.

      • Le MondeActualité à la Une
      • Merke mein französisch ist eingerostet. Trotzdem lesenswerte Analyse über die geopolitischen Folgen eines griechischen EU-Austrittes.

      • NYTimes.comEurope Wins
      • Paul Krugman kurz und knapp, warum das griechische Referendum ein Sieg für die europäische Idee ist.

      • The GuardianWhere is Google taking us?
      • Langes Lesestück über den „Teenager“ Google und wohin die Zukunft des Unternehmens die Menschheit führen wird.

    About Technology: TV.gif

    Kunst über Wachung

    Kontrollieren wir sie…,
    … oder kontrollieren sie sie für uns?
    Kontrolliert sie uns…,
    … oder kontrollieren sie uns mit Hilfe von ihr? – J. Geltner 2011

    Jakub Geltner macht Überwachungskunst

    Jakub Geltner, geboren 1981 in Karlsbad, lebt in Prag und hat in Süd-Korea an der National University of Arts und der Prager Universität für Architektur studiert.

    Seine Installations-Kunst besteht darin, Überwachung in die vorhandene charakteristische Architektur der Stadt einzubetten und sie damit in gewisser Weise in die Absurdität zu führen.

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    Seine Nester können aus Parabolantennen oder Kameras bestehen und nehmen mehr als fünf einzelne Projekte auf seiner Webseite ein. Einige sind reine Bildbearbeitung, andere wurden so an Gebäuden angebracht.

    Doch auch .gifs, Video-Installationen in Kirchen mit Werbung für einen Chat mit Gott oder ein schwarzer Gegenstand der stark von seiner Benutzung an  ein Smartphones erinnert, gehört zu seinem Repertoire.

    Das Portfolio ist definitiv einen Besuch wert und meine Lieblings-Installation schmückt leider nur direkt die Startseite und wird nicht als eigenes Projekt aufgeführt: Eine kleine Insel mit CCTVs, die sehr an einen Möwenschwarm erinnern.. Fühlt sich trotz der optischen Idylle sehr nach Alfred Hitchcocks „The Birds“ an…

    Alle Fotos: © http://www.geltner.cz/

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    Lesezeichen vom 05.07.2015

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